108 Jahre nach Einweihung der „Synagoge am Kottbusser Ufer“, heute Fraenkelufer, und 86 Jahre nach deren schwerer Beschädigung während der Reichspogromnacht soll an dem historischen Standort ein neues jüdisches Gemeinde-, Bildungs- und Kulturzentrums entstehen. Heute stellt der Verein Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer e.V. gemeinsam mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen die Ergebnisse des Realisierungswettbewerbs für den Wiederaufbau vor.
Die Planungsaufgabe war ein Campus, bestehend aus der historischen Jugendsynagoge, dem neuen jüdischen Gemeinde- und Kulturzentrum und der neuen Kindertagesstätte auf einer Bruttogrundfläche von rund 3.500 m2. Neben der Erweiterung des räumlichen Angebots der Synagoge soll ein multifunktionaler Fest- und Veranstaltungssaal, eine Kindertagesstätte, ein Ort für Wissensvermittlung und gesellschaftliches Engagement, ein Co-Working-Space für jüdische Initiativen, ein koscheres Café sowie ein Ausstellungsraum für zeitgenössische jüdische Kunst entstehen. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf 24 Mio. Euro. Es ist vorgesehen, dass die Berlinovo Immobilien Gesellschaft mbH die Funktion der Bauherrin einnimmt.
Das neue Zentrum soll ein Zuhause für die wachsende vielfältige jüdische Gemeinschaft in Berlin werden. Geplant ist ein Ort des Miteinanders, der Begegnung und des Dialogs, der Raum für in Berlin ansässige zeitgenössische jüdische Kunst und Kultur schafft. Gleichzeitig soll der Bau die historischen Risse und die Verletzlichkeit seines keineswegs selbstverständlichen Wiederauflebens spiegeln. Mit dem neuen Zentrum soll zudem der Architekt der zerstörten Synagoge Alexander Beer gewürdigt werden, der im KZ Theresienstadt ermordet wurde.
Der Realisierungswettbewerb hat ein überzeugendes Ergebnis erbracht! Nach intensiver Auseinandersetzung mit den 18 eingereichten Wettbewerbsbeiträgen in einer ganztägigen Preisgerichtssitzung am 15. Januar 2025 haben die neun Fach- und Sachpreisrichter:innen die Gewinnerentwürfe ausgewählt.
Die erfahrene Preisgerichtsvorsitzende Prof. Ulrike Lauber stellte den einstimmig ausgewählten Siegerentwurf des interdisziplinären Teams von Staab Architekten mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten in einem Pressegespräch am 17. Januar 2025 im Künstlerhaus Bethanien unweit des Wettbewerbsgrundstücks vor. Anwesend waren zudem Vertreter:innen des Vereins und Kuratoriums für den Wiederaufbau sowie vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen.
Mit dem 1. Preis ausgezeichnet wurde der Entwurf des Teams von
Staab Architekten, Berlin mit
Atelier LOIDL Landschaftsarchitekten, Berlin
Den 2. Preis erhielt der Entwurf des Teams von
DFZ Architekten, Hamburg mit
Y-LA Ando Yoo Landschaftsarchitektur, Hamburg
Der 3. Preis ging an den Entwurf des Teams von
hope Architekten, Hamburg + Johannes Arolt Architekt, Berlin mit
317 Stadt und Freiraumplanung, Landsberg
Zwei Anerkennungen wurden an die folgenden Büroteams vergeben:
Georg Scheel Wetzel Architekten, Berlin mit
Dietz & Partner Landschaftsarchitekten, Elfershausen
Peter W. Schmidt Assoziierte, Pforzheim/Berlin mit FUGMANN JANOTTA PARTNER, Berlin
Stimmen zur Entscheidung:
Vorsitzender des Kuratoriums zum Wiederaufbau der Synagoge Fraenkelufer Raed Saleh
„Ich freue mich sehr, dass der Wiederaufbau der Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg mit der heutigen Bekanntgabe des Siegers des Architektenwettbewerbs einen weiteren wichtigen Schritt genommen hat. Ich gratuliere Staab Architekten und Atelier LOIDL Landschaftsarchitekten herzlich zur Prämierung durch das Preisgericht.
Das vom Kuratorium für den Wiederaufbau der Synagoge Fraenkelufer angestoßene Projekt ist bundesweit einmalig. Ich bin stolz darauf, dass wir 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Herrschaft der Nationalsozialisten mitten im Herzen Berlins eine zerstörte Synagoge wieder aufbauen werden. Ich bin dankbar für die Botschaft der Hoffnung, die wir damit in die Welt senden, dass jüdisches Leben hier in Berlin zuhause ist und ein integraler Bestandteil der Berliner Stadtgesellschaft bleibt. Wir schaffen einen Ort und verdeutlichen eine Haltung für kommende Generationen. Denn im Kampf gegen Antisemitismus reichen bloße Lippenbekenntnisse nicht aus. Berlin ist die Stadt, die Brücken baut und Mauern einreißt – seien es Mauern aus Beton oder Mauern in den Köpfen. Der Wiederaufbau der Synagoge am Fraenkelufer kann dazu beitragen als ein Zeichen für Dialog und Versöhnung.“
Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann
„Heute ist ein besonderer Tag für unseren Bezirk und für Berlin. Wir sind sehr dankbar, eine so aktive jüdische Gemeinde bei uns in Kreuzberg zu haben. Mit dem Bau des jüdischen Zentrums am Fraenkelufer geben wir jüdischem Leben in unserem Bezirk ein Zuhause. Der Wiederaufbau des jüdischen Gemeinde-, Bildungs- und Kulturzentrums an der Stelle der ehemaligen Hauptsynagoge ist unsere historische Verantwortung. Das neue jüdische Zentrum wird ein Ort des Miteinanders, der Begegnung und des Dialoges. Damit stärken wir den Zusammenhalt.“
Vorsitzender Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer e.V., Dr. Dekel Peretz:
„Wir waren von der Breite der kreativen Lösungsansätze der eingereichten Entwürfe beeindruckt. Der gemeinsame Entwurf von Staab Architekten und Atelier LOIDL Landschaftsarchitekten hat uns besonders überzeugt. Er greift auf die Formsprache von Alexander Beer zurück, den Architekten der ursprünglichen Synagoge. Dabei entwirft er einen repräsentativen Gebäudekomplex, der die verschiedenen Bedürfnisse der jüdischen Gemeinschaft sowie die Spannung zwischen Schutz und Sichtbarkeit auf ansprechende Weise in Einklang bringt. Nun kann der Standort Fraenkelufer endlich wieder zum Mittelpunkt jüdischen kulturellen, religiösen und sozialen Lebens an dieser Stelle werden. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit den Preisträgern!“
Petra Kahlfeldt, Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin für Stadtentwicklung:
„Mein herzlicher Glückwunsch geht an das prämierte Team aus Staab Architekten und Atelier LOIDL Landschaftsarchitekten. Der Wettbewerbsbeitrag konnte sich sowohl aufgrund der sehr guten Übersetzung des Raumprogramms in Grundrisse und Baukörper als auch aufgrund des gelungenen gestalterischen Ausdrucks für die Planungsaufgabe einstimmig im Preisgericht durchsetzen. Mit dem Abschluss des Wettbewerbs für das Jüdisches Zentrum Fraenkelufer kommen wir von der konzeptionellen Phase zur konkreten hochbaulichen Planung. Unser Ziel ist eine zügige Umsetzung des Baus.“
Preisgerichtsvorsitzende Prof. Ulrike Lauber
„Die gestellte Aufgabe war komplex und anspruchsvoll.18 Büros entwickelten sehr unterschiedliche Konzepte für das angestammte Grundstück zwischen Fraenkelufer und Kohlfurter Straße. Alle Arbeiten waren sehr gut ausgearbeitet und von hoher Qualität, alle Preisrichter und Sachverständige waren hoch motiviert, gemeinsam die beste Lösung zu finden.
Der Siegerentwurf des Berliner Architekturbüros STAAB Architekten GmbH mit LOIDL Landschaftsarchitekten, ebenfalls Berlin, versteht es in ganz eigener Weise, durch die versetzte Anordnung von 3 Baukörpern in Kombination mit Höfen und Arkaden eine überraschend aufgelockerte Struktur zu erreichen und gleichzeitig den Nachbarbauten genug Platz und Raum zu lassen: die Kita im Norden, der Saalbau im Zentrum, das Gebäude für Café, Ausstellungsflächen und Ateliers im Süden, alles ganz funktional und selbstbewusst angeordnet und mit fein detaillierter Ziegelfassade geplant. Umschlossene innere Gärten werden den einzelnen Gebäuden zugeordnet, überdachte Wege verbinden alle Häuser. Der große ‚Platz der Gemeinschaft‘ zum Ufer hin bildet das Entree. So wird das Ensemble zum neuen Jüdischen Zentrum Fraenkelufer.
Das klare städtebauliche, architektonische und inhaltliche Konzept zeigt deutlich, dass eine sorgfältige Analyse des historischen Ortes und der religiösen Themen für die jüdische Gemeinde die konkreten Grundlagen für den Entwurf bilden.“
Das Preisgericht war beeindruckt von der Vielfalt und Kreativität der eingereichten Entwürfe. Jeder Beitrag brachte einzigartige Ideen und Visionen für die Zukunft des Fraenkelufers mit sich.
Die 18 eingereichten Wettbewerbsentwürfe werden vom 23.01. bis 09.02.2025 im Künstlerhaus Bethanien der Öffentlichkeit präsentiert und wir laden alle Interessierten herzlich ein, sich ein Bild von den innovativen Konzepten zu machen.
Wir danken allen Teilnehmer:innen für ihre herausragenden Beiträge und freuen uns darauf, die nächsten Schritte in diesem bedeutenden Projekt gemeinsam zu gehen.
Preisrichter:innen
Prof. Donatella Fioretti, Architektin, Berlin
Andreas Geisel, Vertreter des Kuratoriums zum Wiederaufbau der Synagoge am Fraenkelufer, Berlin
Clara Herrmann, Bezirksbürgermeisterin Friedrichshain-Kreuzberg, Berlin
Prof. Petra Kahlfeldt, Senatsbaudirektorin, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Berlin
Prof. Ulrike Lauber, Architektin, Berlin
Prof. Dr. Engelbert Lütke Daldrup, Stadtplaner, Berlin/Leipzig
Tobias Micke, Landschaftsarchitekt, Berlin
Dr. Dekel Peretz, Vorsitzender Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer e.V., Berlin
Prof. Jórunn Ragnarsdóttir, Architektin, Stuttgart
Weitere Informationen und Bildmaterial zu den Entwürfen finden Sie auf der Website von C4C | competence for competitions PartmbB.